Der Anfang: Ein Hirschkopf als Regelbruch
Am 24. März 1973 schrieb Eintracht Braunschweig Bundesliga-Geschichte. Auf den Trikots des damals kriselnden Clubs prangte plötzlich das Logo des Schnapsherstellers Jägermeister – der berühmte Hirschkopf. Der damalige Jägermeister-Chef Günter Mast und Eintracht-Präsident Balduin Fricke hatten eine kreative Idee, um das bestehende Werbeverbot zu umgehen: Sie ersetzten einfach das Vereinswappen durch das Firmenlogo.
Der DFB war zunächst machtlos, denn es gab keine Regel gegen Clublogos, nur gegen klassische Werbeschriftzüge. Wenig später wurde ein Vertrag über 500.000 DM für fünf Jahre abgeschlossen, und die Ära der Trikotwerbung begann offiziell. Ab November 1973 erlaubte der DFB die Werbung am Mann. Schon bald folgten Clubs wie der HSV (Campari), Eintracht Frankfurt (Remington), der MSV Duisburg (Brian Scott) und Fortuna Düsseldorf (Allkauf).
International: Nicht nur Braunschweig war Pionier
Auch international gab es frühe Vorläufer: Schon in den 1950er Jahren lief Peñarol Montevideo aus Uruguay mit Werbung auf. Der berühmte Kapitän Obdulio Varela protestierte zunächst aus Prinzip, doch letztlich setzte sich die Praxis auch dort durch.
In Deutschland war das Thema besonders sensibel, weil es als Angriff auf die „Reinheit des Sports“ galt. Doch finanzielle Not (z. B. nach dem Bundesliga-Skandal der 1970er) und schwindende Zuschauerzahlen machten Werbung bald unverzichtbar.
Skandale, kreative Deals und erste Megamarken
Manche Deals gingen als perfekte Kombination in die Geschichte ein – etwa Borussia Dortmund mit UHU, wo Vereins- und Firmenfarben identisch waren. Andere sorgten für Aufsehen: 1988 wurde der FC Homburg vom DFB gezwungen, einen Deal mit einem Kondomhersteller zu beenden („zu unsittlich“), 2006 kam es zu absurden Szenen, als Bwin wegen Lizenzproblemen bei Amateurspielen von der Polizei kontrolliert wurde.
Übrigens: Athletic Bilbao, oft als Beispiel für Werbefreiheit genannt, verzichtete bis 2008 tatsächlich auf Sponsoren. Seither trägt der baskische Traditionsclub Werbung, aktuell die regionale Bank Kutxabank.
Heute: Millionendeals und kreative Aktionen
Heutzutage ist Trikotwerbung Big Business. Allein die Bundesliga generierte zuletzt über 250 Millionen Euro pro Saison aus Sponsoring. Clubs wie der FC Bayern München verdient nächste Saison geschätzt um die 60 Millionen Euro pro Jahr durch ihren Hauptsponsor Telekom.
Auch international läuft das Geschäft: Manchester United, Real Madrid, Paris Saint-Germain – alle setzen auf Mega-Deals. Ein interessantes Beispiel aus diesem Jahr ist der Wechsel von Liverpool zurück zu Adidas ab der Saison 2025/26, was dem Club angeblich über 60 Millionen Euro pro Jahr einbringen soll.
Auf der anderen Seite setzen kleinere Clubs auf Charme und Regionalität: Preston North End (Championship) sorgt 2025/26 mit einem Sponsordeal mit dem lokalen Burgerladen „Spud Bros“ für Aufsehen – ein kleiner, aber bei den Fans gefeierter Partner.
In der Bundesliga gehört der VfL Wolfsburg überraschend zu den Spitzenreitern: Mit rund 70 Millionen Euro pro Saison erzielt der Klub durch Trikotwerbung mehr als jeder andere deutsche Verein. Dahinter folgen der FC Bayern München (60 Mio. €) und RB Leipzig (35 Mio. €). Borussia Dortmund liegt mit 30 Millionen Euro auf Rang vier – ein Beleg dafür, wie stark die Vermarktung auch abseits der sportlichen Tabelle funktioniert.
Die Einnahmen der übrigen Bundesligisten reichen von soliden 11 Millionen Euro bei Borussia Mönchengladbach bis zu eher bescheidenen 1,8 Millionen Euro beim FC St. Pauli. Selbst Clubs wie Mainz, Köln oder Heidenheim müssen mit vergleichsweise geringen Summen kalkulieren – trotz ihrer Bundesliga-Zugehörigkeit.
Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass England und Spanien weiter führend sind. Real Madrid, Manchester City und Manchester United liegen mit ihren Sponsoringverträgen an der Spitze – gefolgt von Barcelona, PSG und Arsenal. Bemerkenswert: Auch hier fließen nicht nur Gelder vom Hauptsponsor, sondern auch von Ausrüster und Ärmelsponsor, was die Gesamtsumme erheblich steigert.
Die Visualisierungen zeigen: Trikotwerbung ist nicht nur Kultobjekt, sondern bares Geld – und der Wettbewerb um die prominenteste Brustfläche bleibt ein Spiel der Großen
Für Sammler: Wenn Werbung Kult wird
Viele Sammler feiern alte Werbetrikots gerade wegen der aufgedruckten Marken. Das Opel-Logo auf Bayern-Shirts, das BP-Logo beim HSV oder Hitachi beim HSV in den 70ern sind nicht nur Sponsoring – sie stehen für Epochen, Transfers, Titel und emotionale Erinnerungen. Manche Marken sind längst vom Markt verschwunden, doch auf den Trikots leben sie weiter.
Wohin entwickelt sich Trikotwerbung?
Während manche Ligen über neue Werbeflächen wie Hosen oder Ärmel diskutieren, gibt es auch Gegenbewegungen: limitierte Fantrikots ohne Sponsor, mehr Fokus auf Nachhaltigkeit, lokale Marken statt globaler Konzerne. Das Geschäft ist größer als je zuvor – doch die Sehnsucht nach Authentizität bleibt.
Diskussionsfragen an die HYFE-Community
- Welche Werbetrikots sind für euch absolute Klassiker?
- Seid ihr Team „clean look“ ohne Werbung – oder gehört Sponsoring für euch zur Fußballgeschichte?
- Welche kreativen oder skurrilen Sponsoren fallen euch aus aktuellen oder vergangenen Jahren ein?
Artikel: th
Diagramme: th
Bild: grafisch inspirierte Darstellung (KI)